Kleine Wildtiere aufziehen, ist gar nicht so einfach. Deshalb sollten da die Profis ran. Und: Nicht jedes scheinbar verwaiste Tierkind ist tatsächlich mutterseelenallein: Deshalb sollte man nicht einfach jedes Jungtier, das man findet, mitnehmen. Anfassen ist auch tabu, denn oft werden Jungtiere vom Muttertier nicht mehr angenommen, wenn es nach Mensch riecht. Wenn Sie sich also fragen: „Ist hier ein Wildtier in Not?“, sollte die Antwort erst mal lauten: Das ist nicht immer so!
Kleine Hasen, Igel und Vögel sind auch mal allein zu Hause
Gut, manchmal ist die Situation eindeutig, wenn das Muttertier beispielsweise überfahren wude oder wenn ein Jungtier über sehr lange Zeit alleine ist. Aber Jungtiere bleiben auch unter ganz normalen Umständen länger allein: Wenn beispielsweise das Reh äsen muss, dann kann das schon ein paar Stunden dauern. In dieser Zeit liegt das Kitz gut versteckt im hohen Gras, im Dickicht oder auch versteckt im Feld. Hasen bekommen natürlich auch Hunger und dann schleppen die Mütter ihre Jungtiere von einer Sasse zur anderen und legen sie immer wieder ab. Kleine Igel sind oft unter Laub oder Bodenbewuch versteckt und warten dort auf die Rückkehr ihrer Mutter. Auch Vögel müssen mal allein zu Hause bleiben – und wenn man kein Nesthocker in luftiger Höhe ist, sondern ein Wiesenbrüter, dann befindet sich das Zuhause eben auf dem Boden und das führt dazu, dass mancher Spaziergänger fälschlicherweise meint, der Vogel sei aus einem Nest im Baum gefallen.
Eichhörnchen fallen manchmal aus dem Kobel
Sehr wohl aus dem Nest bzw. dem Kobel purzeln manchmal Eichhörnchen. Aber auch da heißt es: Erst mal beobachten, ob Mutter Eichhörnchen zurück kommt und sich um den verunglückten Nachwuchs kümmert. Wenn nicht, braucht das kleine Tier natürlich Hilfe. Doch überlegen Sie sich gut, ob Sie diese Hilfe selber leisten wollen. Kleine Eichhörnchen brauchen spezielle Aufzuchtmilch, denn von der normalen Milch bekommen sie Durchfall und das kann sogar tödlich enden. Ihr Fläschchen wollen die Eichhörnchen alle paar Stunden haben – und das bitte Tag und Nacht. Weil so ein kleines Eichhörnchen auch Parasiten oder Krankheiten haben kann, muss es möglichst schnell nach dem Auffinden zum Tierarzt und diese Kosten sollten Sie einkalkulieren. Wird das Eichhörnchen groß, dann soll es natürlich auch ausgewildert werden. Das bedeutet: Der Kandidat braucht vorher eine Voliere und die sollte zumindest mit Kobeln, Kletter- und Sprungmöglichkeiten ausgestattet sein. Und Achtung: Je älter Eichhörnchen werden, umso mehr steigt das Risiko, dass sie auch mal zubeißen und das können sie ziemlich kräftg und schmerzhaft.
Aus jedem Frischling wird ein starkes Wildschwein
Auch ein kleiner Frischling braucht fünf bis sechs mal täglich spezielle Milch, damit er groß und stark wird. Und das geht schneller als man denkt: Mit jedem Tag legt das kleine Wildschwein Gewicht zu und irgendwann ist es ein stattlicher, schwerer Halbstarker, der auch gerne etwas derbe Umgangsformen pflegt – blaue Flecken nicht ausgeschlossen. Und wenn Sie glauben, dass der Garten ein schönes Zuhause für einen Frischling ist – aufgepasst! Mit der Zeit geht das Gewühle los und dann wird aus dem Garten schnell ein unschöner Acker. Außerdem könnten Sie beim Kaffeetrinken auf der Terasse gestört werden, denn Wildschweine haben schnell raus, wo es etwas zu futtern gibt und wollen dann auch ein Stück vom Kuchen haben.
Zutraulichkeit schadet Rehkitzen bei der Auswilderung
Nicht minder anstrengend ist die Aufzucht eines Rehkitzes. Auch hier wird häufig die lebensnotwendige Milch gebraucht und weil ein Reh nun mal im Rudel lebt, sucht es Anschluss. Das bedeutet: Falls Sie kein Rehrudel zur Hand haben – was wahrscheinlich ist – heftet sich das Kitz gerne an Ihre Fersen. Das mag putzig und nett sein, aber es ist nicht artgerecht und sorgt – wie bei anderen Wildtieren auch – bei der späteren Auswilderung für Probleme, weil das junge Reh dann keine Scheu vor Menschen hat und zu vertrauensselig ist oder auch mal Besuche in Gärten abstattet. Außerdem: Wenn Sie ein männliches Kitz aufziehen, wird daraus einmal ein Bock und der nutzt als Draufgänger gerne sein Geweih – und das kann weh tun.
Wildtiere darf man nicht einfach mitnehmen
Sie sehen: Wildtier bleibt Wildtier. Deshalb sollte man erst ganz genau und sehr lange beobachten, ob das Jungtier tatsächlich verwaist und in Not ist. Das ist selten der Fall. Stellt sich tatsächlich eine Notlage heraus, dann melden Sie Ihren Fund bitte an die Polizei. Sie dürfen nämlich aus dem Revier eines Jägers nicht einfach ein Wildtier entfernen. Die Polizei kann den Jäger von Ihrem Fund informieren. Es ist übrigens auch gut möglich, dass der Jäger das Jungtier aufziehen und später auswildern will. Wenn nicht, bleiben noch Wildtierauffangstationen, Tierschutzvereine und der Tierarzt als professionelle Ansprechpartner übrig. Hundebesitzern sei in der Jungtierzeit ans Herz gelegt: Bitte die Hunde anleinen, damit er kein Jungtier aufstöbert und womöglich ein Tier-Drama passiert. Text/Foto: Marion Friedl