Ich bin erschrocken, als mir ein Junge sagte: Katzen schnurren und Hunde knurren; das ist dasselbe. Klar, dass ich ihm den Unterschied erklärt und ihm eingeschärft habe: Wenn Hunde knurren, könnten sie beißen. Große Augen hat er da gemacht und ich hoffe, dass er künftig knurrenden Hunden mit Vorsicht begegnet und nicht mit Arglosigkeit. Mein Entsetzen beschränkt sich aber nicht auf den Buben, denn der kann nichts für die fatale Wissenslücke. Es liegt in der Verantwortung der Eltern, ihre Kinder vor Gefahren zu schützen und sie auf mögliche Gefahren hinzuweisen. Und wenn sie das mangels Wissen nicht können, gibt es Hundetrainer und Tierpsychologen, die mit Beratung oder einem Kinderkurs weiter helfen. Begegnungen mit Tieren gehören – auch wenn man kein Haustier hat – zum Alltag.
Knurren ist immer eine Drohung
Das Knurren ist generell eine Drohung. Diese Warnung bedeutet: Wenn Du nicht sofort aufhörst, greife ich an. Knurrt der Hund am Futternapf, verteidigt er seine Nahrung, denn er will satt werden und er sieht das Futter als seine Beute und Lebensgrundlage an. Auch wenn man Hunde einfangen will, knurren sie oft drohend: Tja, wer gibt seine Freiheit gerne auf ohne zu wissen, was womöglich droht?
Knurren sich Hunde an, geht es um Rangordnung, Revierverteidigung, Nahrungsressourcen oder man kann sich nicht riechen. Die Herzensdame oder andere Rudelmitglieder werden knurrend verteidigt – ebenso wie menschliche Familienmitglieder, denen ein Hund gefährlich werden könnte. Wehrt der Hund knurrend einen anderen Hund von seinen Menschen ab, kann es auch Eifersucht sein. Der Beschützerinstinkt erwacht, wenn sich ein fremder Mensch mit bösen Absichten der Menschenfamilie des Hundes oder auch dem Hunderudel nähert. Knurren am Gartenzaun ist Revierverteidigung und die kann Mensch und Hund gelten. Hat sich der Hund zurückgezogen (z.B. in seine Schlafhöhle) und er knurrt, sobald Sie sich nähern oder die Hand ausstrecken – ziehen Sie sich zurück! Dieser Hund könnte beißen, denn er will seine Ruhe haben und nicht aus seinem Versteck geholt werden – weder von Ihnen noch von anderen Tieren.
Hunde knurren auch, um unangenehme Berührungen abzuwehren, wie etwa bei Krankheit, Verletzungen, Unfall. Auch bei großer Angst und Ausweglosigkeit wird geknurrt: Man spricht von Angstbeißern, wenn ängstliche Hunde in einer scheinbar ausweglosen Situation drohend knurren, fletschen, bellen und dabei rückwärts gehen. Werden sie weiter bedrängt, starten sie aus purer Verzweiflung einen Angriff. Wird einem Hund etwas weggenommen (z.B. Spielzeug, Knochen), kann ebenfalls knurrend gedroht werden, denn kein Hund mit Jagdtrieb gibt gerne her, was ihm gehört bzw. was er erbeutet hat und das kann auch das Plüschtier sein. Deshalb sollten Kinder lernen, das Spiel zu beenden, wenn der Hund knurrt.
Kinder müssen lernen, was Respekt ist und wann Schluss mit lustig ist
Ermahnend geknurrt wird auch, wenn etwas nervt: Irgendwann geht es dem geduldigstern Hund auf die Nerven, wenn Kinder schreien, er am Schwanz oder an den Ohren gezogen, beworfen, festgehalten oder gezwickt wird. Beispiel: Ein Kind hat dem Hund schaufelweise Sand über den Kopf gekippt und die Eltern fanden das lustig. Der Hund hingegen fühlte sich gar nicht wohl. Dennoch blieb er lange ruhig, dann knurrte er warnend und als das Kind nicht aufhörte, sprang der Hund auf und bellte das Kind erbost an. Die Eltern waren entsetzt und ich auch – allerdings waren die Eltern über den Hund und ich über das respektlose Verhalten des Kindes und den Leichtsinn der Eltern entsetzt. Die Eltern meinten: Das ist unser Hund und er müsste wissen, dass das Kind nur mit ihm spielt und er darf es nicht angreifen. Das wusste der Hund auch – deshalb hat er so lange ruhig gehalten und war so anständig, das Kind mit einem Knurren zu warnen. Hätte das Kind aufgehört, wäre nichts passiert. Stattdessen wurde das Knurren weder vom Kind noch von den Eltern verstanden. Also wurde der Hund deutlicher in seinem Vokabular. Auch das war nett, denn er warnte massiver und startete keinen ernsten Angriff.
Kinder müssen auch lernen, erst zu fragen, ob sie einen fremden Hund streicheln dürfen. Nicht jeder Hund will angefasst werden, nicht jeder Hund mag Kinder und nicht jeder Hund ist gut erzogen. Auch das richtige Streicheln will gelernt sein: Wer sich über den Hund beugt und die Hand von oben herab auf den Hund zuführt, der wird als bedrohlich angesehen. Auch wichtig: Kinder sind für Hunde keine Autoritätspersonen und oft übernehmen die Hunde die Führung. Je nach Reifegrad des Kindes, werden Kinder erst mit etwa 13 oder 14 Jahren vom Hund als ranghöher anerkannt. Deshalb: Kinder nie unbeaufsichtigt mit dem Hund lassen! Ein kindgerechtes Training kann das gute Miteinander von Hund und Kind fördern.
Distanz zum Hund verringert die Aggression
Der Mensch ist gut beraten, ruhig und langsam auf Distanz zum knurrenden Hund zu gehen. Am besten geht er dabei rückwärts, damit er den Hund beobachten kann. Faustregel: Je größer der Abstand, umso kleiner die Aggression. Wer stehen bleibt, signalisiert dem Hund: Ich gebe nicht nach. Wer sich aufrichtet, macht sich größer: Das tun aggressive Hunde, indem sie drohend ihren Körper recken und das Fell sträuben – auch das Aufrichten des Menschen als Drohung empfunden. Gehen Sie schimpfend auf den Hund zu, schüchtern Sie ihn nicht ein, sondern Sie fordern ihn heraus, denn der Hund wertet dies als Drohung, Angriff oder Ungerechtigkeit.
Oft wird geraten, in die Hocke zu gehen und sich kleiner zu machen. Ich warne davor, denn in der Hocke, ist es für den Hund leicht, Sie umzuschubsen und anzugreifen. Wenn sich Hunde kleiner machen, wird das meist vom stärkeren Hund akzeptiert und es stoppt seine Angriffslust. Aber die Betonung liegt auf meist und Sie sind kein Hund. Sie werden den Kürzeren ziehen, wenn der Hund angreift. Das mag beim kleinen Yorkie glimpflich enden; bei einem mittelgroßen oder großen Hund wird es gefährlich. Lieber nachgeben als gebissen werden. Das gilt auch, wenn Sie unsicher sind, ob der Hund droht. Verzichten Sie auf Experimente. Schildern Sie die Situation lieber einem Tierpsychologen und lassen Sie sich das Hundevokabular übersetzen und sich zum richtigen Agieren und Reagieren beraten. Text/Foto: Marion Friedl