Vermenschlichung hat beim Hund Folgen

kimba-couchDer Hund ist ein Familienmitglied – das ist gut so, aber vor Vermenschlichung sollten sich Hundebesitzer hüten, denn das kann unangenehme Folgen haben. Hunde protestieren gegen zu viel Vermenschlichung, weil sie damit nicht zurecht kommen. Und dann ist die Pfütze auf dem Teppich, der Hund drängt sich auf oder es wird geschnappt. Ich rate deshalb zum partnerschaftlichen Miteinander ohne dabei zu vergessen, dass der Partner kein Mensch ist. Das ist ein Geschenk für den Hund, denn ihm wird ein entspanntes, zufriedenes Hundeleben geschenkt.

Wenn der Kind-Ersatz Probleme macht und protestiert

Nicht selten ist der Hund ein Kind-Ersatz. Er wird betüttelt, geküsst, geherzt und in Babysprache bequasselt. Doch zu viel des Guten ist schädlich für die Mensch-Hund-Beziehung. In einem Hunderudel gibt es Sozialkontakt und Nähe in Maßen und nicht in Massen. Auf Vermenschlichung reagiert der Hund gestresst und verhaltensauffällig. Er entwickelt eine Geltungssucht: Der Hund folgt dem Zweibeiner auf Schritt und Tritt, er drängt sich zwischen Besitzer und Besucher, er schnappt nach dem Ehepartner, er reagiert eifersüchtig auf ein Baby, die Couch gehört dem Hund, er duldet nicht, dass der Hundehalter einen fremden Hund streichelt, allein Zuhause bleiben ist Fehlanzeige. Das sind typische Reaktionen auf zu viel Nähe. Hunde verstehen nicht, warum sie mit Liebe überschüttet werden, aber sie wollen es dem Menschen recht machen und der freut sich besonders, wenn der Hund seine Nähe sucht und sich knuddeln lässt. Also steigern sie sich rein und verstehen die Welt nicht mehr, wenn ihnen das plötzlich untersagt wird, weil es Frauchen z.B. unangenehm ist, wenn Bello den Besucher anknurrt. Dagegen protestiert der Hund womöglich mit einer Pfütze.

Lärmen und zerstören allein daheim

Eine weitere Folge ist das Lärmen und Zerstören, wenn der Hund allein zu Hause bleiben muss. Einerseits erdrückt der Zweibeiner den Hund mit Nähe, aber dann überlässt er den Hund allein seinem Schicksal. Eine Ungerechtigkeit, gegen die mit Gejaule, Gewinsel, Gebell, Stubenunreinheit und Zerstörungswut protestiert wird. Harmlos, wenn er die Klopapierrolle zerfetzt – aber wenn die Tapete, der Türrahmen oder die Couch dran glauben muss, ist das schon schlimmer.

Trost verstärkt die Angst

Vermenschlichung kann beim Hund auch Ängste und Unsicherheiten verstärken. Beispiel Gewitter: Der Hund fürchtet sich, also wird er getröstet, gestreichelt und auf den Schoß genommen. Die Folge: Der Hund zittert immer mehr, er hechelt gestresst, fiept, sabbert oder verliert beim Zittern und Laufen Urin. Das tröstende Bemuttern hat die Angst verstärkt, denn es hat dem Hund gesagt: Mein Mensch sucht meine Nähe, also fühlt er sich nicht wohl, es stimmt wirklich etwas nicht und ich habe Recht mit meiner Angst. Weiteres Beispiel: Beim Gassi gehen weicht Frauchen einem großen Hund aus oder nimmt ihren kleinen Hund auf den Arm. Achtung: Das ist zum einen gefährlich, weil der große Hund signalisiert bekommt: Mit dem kleinen Kerl stimmt was nicht – und schon könnte er sich auf den vermeintlich gehandicapten Hund (und damit auch auf den Menschen, der ihn im Arm hält) stürzen. Und was denkt sich der kleine Hund sobald er ausweichen muss oder auf den Arm genommen wird: Es droht Gefahr, ich muss Angst haben und schuld ist der große Hund da drüben. Generell überträgt sich die Unsicherheit und Angst des Besitzers auf den Hund, der dann nur zwei Möglichkeiten hat: Entweder fürchtet er sich mit oder er übernimmt die Führungsrolle. Entscheidet er sich für Letzteres, ist das Ziehen und Bellen an der Leine schnell in vollem Gang.

Auch falsches Füttern kann Vermenschlichung sein

Auch das ist Vermenschlichung: Füttern vom Tisch und viele Leckerlis zwischendrin. Menschenessen ist tabu, denn Gewürze schädigen die Darmflora, Zucker kann zu Diabetes und Karies führen, viele Dinge kann der Hund nicht verdauen (z.B. Pilze) oder sie enthalten Giftstoffe (z.B. Bitterschokolade). Außerdem mindert Übergewicht die Lebensqualität und verkürzt die Lebenserwartung. Das gilt auch für zu viel Hundefutter und Hundeleckerlis. Auf Überfütterung wird mit Erbrechen reagiert. Unverträglichkeiten führen zu Durchfall oder Verstopfung. Auch Verhaltensprobleme sind die Folge, wie etwa Diebstahl vom Tisch, betteln, Futter einfordern und verteidigen. Außerdem: Wenn es dauernd Leckerlis gibt, ist das keine Belohnung mehr in der Hundeerziehung. Es kann noch schlimmer kommen: Gibt es das Hundegutti wenn der Hund bettelt, belohnt der Besitzer genau dieses Verhalten.

Schlafen im Bett, betütteln und bequasseln

Schlafen im Bett des Menschen – da kann man ein Auge zudrücken, wenn sonst die Nähe auf ein gesundes Maß beschränkt wird. Betütteln beim Tierarzt oder im Auto: Bitte nicht, denn das kann die Angst – wie beim Gewitter – verstärken. Ständiges Plaudern mit dem Hund: Daran stirbt er nicht, aber es kann sein, dass er seine Ohren auch bei Kommandos auf Durchzug stellt. Vor allem, wenn in bittendem Tonfall und in vollständigen Sätzen geredet wird. Paulchen, könntest Du bitte bei Fuß gehen? Da tut sich nichts, weil sich der Hund denkt, der Mensch plaudert mal wieder – soll er doch, wenn’s ihm gefällt. Besser ist das selbstbewusste kurze Kommando: Bei Fuß!

Auf Verhaltenprobleme richtig reagieren

Ist die Vermenschlichung so stark, dass der Hund verhaltensauffällig reagiert, muss die Nähe zum Tier reduziert werden. Zügeln Sie Ihre Plauderlust. Setzen Sie sich allein auf einen Stuhl und nicht mit dem Hund auf die Couch. Ignorieren Sie Bedrängen und Betteln. Gehen Sie auch mal ohne ihn in ein anderes Zimmer und schließen Sie die Tür, damit er Ihnen nicht folgen kann. Gehen Sie entschlossen an anderen Hunden vorbei. Ignorieren Sie Angst bei Gewitter und lesen Sie stattdessen ein Buch. Halten Sie sich an Fütterungszeiten und Futtermengen, geben Sie dem Hund nichts vom Tisch und Leckerlis gibt es nur für erbrachte Leistung. Spiele beginnen und beenden Sie und Sie bestimmen womit gespielt wird. Verwirren Sie den Hund beim Verlassen der Wohnung: Sie nehmen wortlos den Schlüssel, gehen hinaus und kehren kurz darauf wortlos zurück – nur um wieder wortlos zu gehen und wieder wortlos zurückzukommen. Das machen Sie sehr oft hintereinander und in so kurzen Abständen, dass der Hund in der Wohnung ruhig bleibt (das können manchmal nur Sekunden sein). Zu Ende ist die Übung, wenn Sie eintreten und der Hund ruhig da liegt. Dann sagen Sie „guter Hund“ und setzen sich ins Wohnzimmer. Dieses Training dauert viele Wochen: Dabei werden die Ruhephasen des Hundes immer länger. Aus Sekunden werden Minuten und Sie können die Zeit bis zu Ihrem Wiederkommen entsprechend ausdehnen. Text/Foto: Marion Friedl

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Ich heiße Marion Friedl und bin Tierpsychologin und Journalistin. Mehr Infos gibt es übrigens auf der Seite: Über mich.

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