Paulchens Welt: Wellness-Massaker für die Krallen

Copyright: Marion Friedl

Zunächst dachte ich mir: Was habe ich für ein Glück mit meinem Frauchen! Sie setzt mich auf einen Tisch und ich darf mir die Welt aus ihrer Perspektive ansehen. Aber dann legte sich umgehend die Begeisterung für Frauchen. „Paulchen, die Krallen sind fällig“, meinte sie und legte ein Ding auf den Tisch, das mich unter meinem Welpenfell erschauern ließ. Die ist ja gemeingefährlich, dachte ich nun über Frauchen. „Das ist eine Krallenschere“, erklärte sie mir und ich wollte nur noch weg.

Vorsichtshalber glaube ich Frauchen kein Wort

Fluchtbereit steuerte ich die Tischkante an, machte mich sprungbereit und wurde prompt von Frauchen ausgebremst. Sie kann ja so hartherzig sein. Wie kann man das einem fünf Monate alten Welpen antun? „Das tut nicht weh“, wollte sie mir weismachen. Ich beschloss, dass ich ihr vorsichtshalber kein Wort glauben werde.

Protest gegen das Massaker mit der Krallenschere

Dann passierte Schreckliches: Sie griff nach der Krallenschere, dann nach einer Vorderpfote und als sich das Mordwerkzeug näherte, fiepte ich auf. „Ich habe doch noch gar nicht angefangen“, beteuerte Frauchen. Mir war jedoch, als hätte ich den Beginn des Massakers bereits gespürt. Erneut näherte sich die Krallenschere und setzte diesmal an einer Kralle an. Ich zog eilig die Pfote zurück. „Wenn Du zappelst, dauert es länger“, informierte mich Frauchen und zeigte keinerlei Mitgefühl. Im Gegenteil: Sie setzte die Krallenschere noch einmal an und diesmal wollte ich ihr brutales Ansinnen mit einem bedrohlichen Knurren stoppen. „Das Knurren musst Du noch üben und jetzt Schluss mit den Faxen“, kommentierte sie meine verzweifelten Versuche beeindruckend wie ein großer Hund zu protestieren.

„Reiß Dich zusammen, es blutet gar nicht“

Schon wieder setzte die Krallenschere an meiner Kralle an und mein protestierender Aufschrei fiel zufälligerweise mit der ersten gekappten Krallenspitze zusammen. „Übertreib nicht, Du kleiner Jammerlappen. Du musst da durch, damit Du später keine Zicken machst“, beantwortete Frauchen meinen Aufschrei und fuhr erbarmungslos mit ihrer Krallenfolter fort. Immerhin versprach sie, nur die Spitzen zu schneiden – angeblich damit ich nicht hängen bleibe. Nach der ersten verunstalteten Pfote wollte ich wieder abhauen. Doch Frauchen meinte nur: „Reiß Dich zusammen, es blutet doch gar nicht.“ Das wäre ja auch noch schöner gewesen… Rote Flecken auf meinem weißen Fell. Igitt!

Die Belohnung fiel zu dürftig aus

Irgendwann war sie mit ihrer Arbeit fertig. Bei den Vorderpfoten nannte sie das Spektakel Maniküre, bei den Hinterpfoten Pediküre. Mir gefiel beides nicht. Allerdings gefiel mir die Belohnung: Ein Leckerli. Es hätten gerne vier sein können – für jede Pfote eines. Und das wäre billig gewesen, denn ich hätte auch für jede Kralle ein Leckerli fordern können. Allerdings ging sie auf mein Betteln nicht ein.

Frauchen rupft sogar Igel und Wildschweine für mich

Stattdessen holte Frauchen noch ein Werkzeug hervor. Ich fragte mich, ob der Igel nun nackt herum laufen muss, weil sie ihm die Stacheln ausgerupft hatte. „Keine Sorge, wir verwenden die weiche Seite“, versicherte Frauchen und drehte die Bürste um. Ich weiß nicht, ob das Wildschwein ohne Borsten glücklicher ist als der gerupfte Igel. „Viel ist ja nicht zu bürsten“, informierte mich Frauchen und ich dachte mir: Dann lass es doch ganz.

Wie kann man das Wort Vernunft bei einem Welpen verwenden?

Aber nichts da: „Das musst Du alles lernen“, stand für sie fest und sie bürstete los. Vorsichtshalber duckte ich mich und wollte mich rückwärts verdrücken. „Pass auf, dass Du nicht vom Tisch fällst“, empfahl mir Frauchen. Gut, dann eben vorwärts… „Willst Du wirklich zum Hundefrisör? Der badet Dich auch noch“, bot mir Frauchen als Alternative an. Ich schüttelte mich und sie wertete dies als Nein: „Siehst Du… So ist es vernünftig.“ Ich musste mich gleich noch mal schütteln, weil sie allen Ernstes von einem vernünftigen Welpen ausging. Wo gibt es denn so was? Nicht bei uns.

Geklautes Schmerzensgeld für das „Wellness-Programm“

Nach einer gefühlten Unendlichkeit war sie mit dem „Wellness-Programm“, wie sie es nannte, fertig. Sie hob mich vom Tisch und stellte mich auf den Boden. Dann kramte sie ihr Belohnungsbeutelchen hervor und das war meine Rache: Ich schnappte ihr den Beutel aus der Hand und flitzte damit durch den Garten. „Gib das wieder her!“, rief sie und jagte hinter mir her. Ich dachte nur: Vergiss es! Das alles ist mein Schmerzensgeld – auch wenn es nicht weh getan hat… Text: Paulchen / Foto: Marion Friedl           

About

Ich heiße Marion Friedl und bin Tierpsychologin und Journalistin. Mehr Infos gibt es übrigens auf der Seite: Über mich.

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