Paulchens Welt: Mein erster Sommer

Copyright: Marion Friedl

Das ist mein erster Sommer und er ist echt toll! Aber er hat auch eigenartige Seiten. Erst wollte er nicht kommen, dann war er heiß und jetzt ist er wieder kalt. Und der Sommer macht irgendetwas mit meinem Frauchen. Sie verhält sich manchmal so eigenartig.

Wenn es der Sommer krachen lässt, wird Frauchen zum Einbrecher

Es geht ja richtig zur Sache, wenn der Sommer mal wieder übertreibt. Dann lässt er es krachen. Und auch blitzen. Wau, das ist toll! Frauchen bewundert mich, weil ich keine Angst vor so einem Gewitter habe. Aber einmal bin ich doch aufgesprungen, als wäre Frauchens Bett ein Trampolin. Blitz – grrr – Peng – alles auf einmal und das mitten in der Nacht. Frauchen und ich machten einen Matratzen-Luftsprung.

Als sie das Licht anschalten wollte, blieb es zappenduster. Da sie ja auch Schamanin ist, wollte ich sie schon fragen, ob irgendwas mit ihrer Aura nicht stimmt. Aber sie stand auf, tastete sich zur Treppe, die zugegeben steil ist, aber ich laufe da sogar bei Dunkelheit flott runter. Frauchen nicht. Sie hielt sich rechts und links an, tapperte im Erdgeschoß unbeholfen herum, stieß sich eine Zehe am Umzugskarton an, fluchte laut und jammerte, dass sie die Taschenlampe nicht findet. Bis ihr einfiel, dass sie die Umzugshelfer eine Kommode mit nicht ausgeräumten Schubladen schleppen ließ. Und da war die Taschenlampe drin.

Sie funselte sich wie ein Einbrecher zum Sicherungskasten und ich fürchtete, dass die Polizei auftauchen könnte. Weil die Freunde und Helfer nicht kamen, drehte Frauchen an den Sicherungen rum, während ich mich vorsichtshalber unter dem Tisch versteckte und siehe da: Es ward  Licht. Manchmal kann sie sogar zaubern, dachte ich mir. Aber ich sprach es nicht aus, damit sie nicht über die Stränge schlägt und sich für den größten Magier aller Zeiten hält. Die zaubern Kaninchen aus dem Hut und mangels Kaninchen könnte Frauchen auf die Idee kommen… nein, ich will gar nicht daran denken. Paulchen in einem Hut…

Einstürzende Zelte und ein Fußbad in meinem Pool

Frauchen neigt im Sommer offensichtlich zu Spontankäufen. Sie nennt das Schnäppchen, obwohl ich sie noch nie schnappen gesehen habe. Aber ich wollte nicht pingelig sein, zumal ich vom Spontaneinkauf profitiert habe. Ich bekam einen Plantschpool und zwei Indianerzelte, die mit einem Tunnel verbunden waren. Die Betonung liegt auf waren. Ein Zelt baute sie so windschief auf, dass es der Wind zusammen fallen ließ. Es wurde entsorgt. Mir blieb nur noch ein Zelt mit Tunnel ins Nichts. Das sah anfangs schick aus, aber auch das hielt dem Wind nicht stand. Es wurde ebenfalls entsorgt.

Jetzt habe ich nur noch den Tunnel und den Pool. Im Pool badet Frauchen ihre Füße, obwohl ich daraus trinke. Igitt. Außerdem zahlt sie noch nicht mal Freibad-Eintritt für ihr Fußbad. Ich hatte mir mindestens ein Leckerli als Eintrittspreis vorgestellt. Aber gut. Frauchen geizt eben manchmal rum. Wahrscheinlich, weil sie die Unkosten für die einstürzenden Zelte wieder rein holen will.

Rote Schlangen darf ich nicht beißen

Seit wir den Pool haben, steht Frauchen auf gefährliche Tiere. Ich nenne es die rote Schlange, sie nennt es Gartenschlauch. Ich beschloss, dass es mit meinen gut acht Monaten Zeit wäre, an meiner Karriere als Schutzhund zu arbeiten. Nein, das ist keine Fürsorglichkeit von mir, aber ich muss meine Zweibeinerin vor Gefahren schützen, damit sie weiterhin Leckerlis springen lässt und den Napf füllt. Ich mache meinen Job eigentlich ganz gut, aber es fehlt an Anerkennung. Kaum hatte ich in die böse Schlange gebissen, gab es keine Belohnung sondern den entsetzten Aufschrei: „Nicht reinbeißen, Paulchen! Du machst ihn kaputt.“

Ohne Loch kein Knochenversteck

Überhaupt sind Ungerechtigkeiten im Sommer an der Tagesordnung. Vorausschauend verbuddle ich im Garten meinen Kauknochen, weil ja auch mal schlechte Zeiten kommen könnten. Schon geht das Gezeter wieder los: „Nicht buddeln, Paulchen. Du machst ein Loch in den Rasen.“ Die Erklärung wäre unnötig gewesen, denn deswegen hatte ich ja gebuddelt. Ohne Loch kein Knochenversteck…

Ein Markt für Flöhe und ein hitverdächtiges Duett

Wenn ich mich kratze, fragt mich Frauchen mit einem prüfenden Blick, ob ich einen Floh habe. Ich kann riechen, dass ihr das nicht gefallen würde. Umso erstaunter war ich, als Frauchen verkündete: „Wir gehen auf den Flohmarkt.“ Sie nahm sogar Geld mit. Das irritierte mich: Ich darf keine Flöhe gratis anschleppen, aber sie bezahlt auf dem Markt für Flöhe. Ich lernte, dass der Markt so heißt, weil die Preise so klein wie Flöhe sind. Es war mir in diesem Moment aber egal, weil ich meinen Einsatz nicht verpassen wollte: Ein Alleinunterhalter sang und er tat mir leid, weil er sich allein unterhalten musste. Also unterstüzte ich ihn: Wir sangen „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“ – Wuff Wuff – „Nana Nana Nanaaa“. Es hörte sich Supertalent-verdächtig an, aber Frauchen ermahnte mich, weil mein Gesang die Leute stören könnte. Also beschränkte ich mich beim Steigerwaldlied auf ein begeistertes Fiepen.

Mit meinem Freund rocke ich den Sommer

Mit meinem Freund Smokey rocke ich den Sommer. Wenn wir das tun, ruft mein Frauchen „Huch!“ und „Oh!“ und „Nein!“. Das tut sie normalerweise nicht. Aber wenn bei unserer Verfolgungsjagd der Pavillon wackelt oder beim Balgen unter dem Tisch die Kaffeetasse überschwappt, dann neigt Frauchen zu solchen Ausrufen. Leider kann ich darauf keine Rücksicht nehmen, denn ich bin ja mit Smokey beschäftigt und der ist irre schnell und irre stark. Selbst ein Hundeeis – eine geniale Sommererfindung – kann uns nur kurz stoppen.

Blutendes Paulchen? Alles nur Fake!

Einmal aber wurde ich von Frauchen festgehalten und jäh aus dem Jagdspiel gezogen. „Blutest Du?“, fragte sie besorgt. Ich spürte keinen Schmerz, aber ich sah die rote Spur an meiner weißen Pfote. Gerade als ich mitleiderregend zu humpeln anfangen wollte, stellte Frauchen fest: „Es ist zu pink für Blut.“ Das minderte die Chance auf ein Tröste-Leckerli leider enorm und als Frauchen feststellte, dass es der Saft von den Johannisbeeren im Garten war, hatte sich die Aussicht auf ein Leckerli komplett erledigt.

Mit wilden Tieren komme ich klar

Ach, ich könnte noch viel erzählen von meinem ersten Sommer. Aufgestöberte Heuschrecken, Spaziergänge mit Mäusejagd am Feldrand, ein verhindertes Bad im stinkenden Bach, das abstürzende Sonnensegel im Regen, Biergartenbesuche, Ausflug bis fast nach Österreich und, und, und… Mein erster Sommer ist einfach toll und er sollte nie zu Ende gehen. Ich bin gespannt, was noch kommt. Frauchen hat etwas von Mittelalterfest und von wilden Tieren im Zoo erzählt. Hoffentlich bin ich alt genug dafür, denn bis zum mittleren Alter dauert es bei mir noch, aber mit wilden Tieren komme ich klar. Hoffe ich… Text: Paulchen / Foto: Marion Friedl

About

Ich heiße Marion Friedl und bin Tierpsychologin und Journalistin. Mehr Infos gibt es übrigens auf der Seite: Über mich.

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