Paulchens Welt: Malern macht Frauchen zum Affen

Copyright: Marion Friedl

Letztens schreckte mich eine Ankündigung von meinem Frauchen auf. „Heute wird die Küche gemalert, Paulchen.“ Ich rechnete damit, dass ein Profi anrückt, aber weit gefehlt: Frauchen kam ächzend und prustend mit einem schweren Eimer weißer Farbe an. Sie wollte allen Ernstes selber malern. Mir schwante Böses, denn in den wenigen Monaten meines Lebens habe ich bereits festgestellt: Handwerklich ist meine Zweibeinerin eine ziemliche Niete.

Tee statt Farbe

Kaum hatte sie den Farbeimer in der Küche abgestellt, schien die Arbeit schon erledigt zu sein. Sie genehmigte sich ein Tässchen Tee und machte es sich auf der Terrasse gemütlich. Eigenartig, dachte ich mir. Die Wand sieht noch aus wie vorher: Orange und mit einem großen weißen Fleck, über dem mal ein Küchenschrank hing. Auf der zweiten Wand bot sich ein ähnliches Bild. Wenige Minuten später kam aber wieder Bewegung in die Angelegenheit. Frauchen holte das Zubehör und breitete eine Folie aus. Dann tauchte sie eine weiche Puschelrolle in die weiße Farbe und los ging es.

Ein Gespräch mit der Wand

Das Malern war allerdings recht aufwändig, denn das ursprüngliche Orange ließ sich nicht vertreiben. Nur der weiße Fleck war nicht mehr so schmuddelig wie vorher. Es folgte das erste Gespräch meines Frauchens mit der stummen Wand: „Wie Du willst. Dann bekommst Du eben einen zweiten Anstrich.“ Sie malerte noch einmal über das erste Weiß, das nicht Weiß werden wollte und als sie fertig war, sah ich in den Eimer hinein, um zu überprüfen, ob noch Farbe da ist. Es könnte ja sein, dass es wieder nicht geklappt hat. „Nase raus!“, rief Frauchen und ich machte einen Sprung nach hinten. Dabei stieß ich mit dem Popo an die Zimmertür, die gegen eine weiße Wand schepperte, die nicht gemalert werden musste. „Pass auf, Paulchen! Wenn der Putz runter fällt, müssen wir die Wand auch noch streichen“, erfuhr ich und nahm vorsichtshalber eine um Verzeihung bittende geduckte Haltung ein. Dabei versteckte ich meine Schwanzspitze, denn die ist von Natur aus weiß und ich wollte nicht, dass Frauchen glaubt, ich hätte gekleckert und sie müsste meine Schwanzspitze baden.

Ich setzte einen Fehlalarm ab

Frauchen wandte sich wieder der Wand zu und sagte zu ihr: „Dir werde ich es zeigen.“ Sie malerte ein drittes Mal über die Küchenwand und ich wollte sie fiepend auf ein Malheur aufmerksam machen: Weiße Farbtropfen auf dem Boden. Frauchen ignorierte mein Fiepen. Also stupste ich sie mit der Pfote an und richtete meinen Blick auf die Flecken am Boden. „Es hat getropft“, stellte sie oberschlau fest und degradierte sofort meine Position als Aufsichtsperson: „Sieh mich nicht so an, Paulchen. Das war ein glatter Fehlalarm. Es hat auf die Folie getropft und nicht auf den Boden.“

Nun wird die Wand beschimpft

Sie wandte sich erneut der widerspenstigen Wand zu und es kam, was kommen musste: Beschimpfungen vom Feinsten. „Du Miststück… Du blöde Wand… Du kannst mich mal.“ Ich bezweifelte, dass dadurch das immer noch durchschimmernde Orange verschwinden würde, aber ich beschloss, vorsichtshalber zu schweigen.

Wie kann man so bekleckert sein, wenn die Wand direkt vor einem ist?

Stattdessen begutachtete ich Frauchen. Weiße Farbe an den Haaren, im Gesicht, an den Händen, auf dem Shirt, auf der kurzen Hose und an den Füßen. Ich fragte mich, wie das passieren kann, wenn man eine Wand malert, die direkt vor einem ist und nicht über dem Kopf. Frauchen schien zu bemerken, dass ich über sie nachdachte und fragte: „Was ist, Paulchen?“ Ich runzelte die Stirn, legte den Kopf etwas schräg und sah mir den gemalerten Frauchen-Vogel an. Sie ging ins Bad, sah in den Spiegel und schimpfte: „So eine Sauerei. Die schöne Hose und das Shirt.“ Insgeheim dachte ich mir: Wenigstens ist hier etwas weiß, wenn schon nicht die Wand. Aber ich sprach es natürlich nicht aus. Stattdessen wartete ich darauf, ob Frauchen eine Idee bezüglich ihrer fürs Malern Klamotten hatte. „Ich hätte nicht gedacht, dass es so kleckert. Ab in die Waschmaschine, vielleicht geht es ja raus.“

Vielleicht klappt es nackig besser

Ich war gespannt, ob der vierte Anstrich nackig erfolgen sollte. Doch Frauchen  schleppte den Eimer weg, entsorgte die Folie, gönnte der Farbrolle ein Wasserbad, stellte sich unter die Dusche und zog saubere Sachen an. „Paulchen, die Wand kann mich mal. Und die zweite Wand streiche ich gar nicht erst. Über den weißen Fleck im Orange hänge ich ein Bild, dann sieht man es nicht mehr. Es gibt Campari“, verkündete Frauchen den nächsten Tagesordnungspunkt. Ich leistete ihr mit einem Wässerchen Gesellschaft und wir warteten ab, ob die Waschmaschine ein Wunder vollbrachte. Das tat sie: Sie spukte saubere Kleidung aus. Immerhin…

Staunen in der Küche

Ich überlegte, ob wir mit einer weißen Wand, die einen Orange-Stich hat, und einer zweiten Wand in sattem Orange und mit einem Bild über dem weißen Schmuddelfleck leben können. Ich sah mir die Sache noch mal an, um zu einem Urteil zu gelangen. Als ich staunend vor der Wand stand, kam Frauchen und staunte mit: „Die ist ja weiß. Kein Orange mehr zu sehen.“ Ich wollte sie ermuntern, den Farbkübel noch mal zu holen, um auch die andere Wand zu malern, aber sie meinte: „Vergiss es. Ich lasse mich von einer Wand nicht zum Affen machen.“

Frauchen wird zum pinselschwingenden Äffchen

Nun lief in meinem Kopf ein anderer Film ab: Ich sah Frauchen als Äffchen pinselschwingend von Wand zu Wand hüpfen. Im rasanten Hüpftempo strich sie mit dem Pinsel über die orangefarbene Wand und den Schmuddelfleck. Dann sprang sie herunter und landete im Farbeimer… Ich bin gespannt, ob und wann die zweite Wand gestrichen wird. Seit Tagen hat sich nichts mehr getan. Vielleicht wartet sie auf einen Affen, der ihr die Arbeit abnimmt. Das hätte noch mehr Unterhaltungswert, vor allem wenn wir den Affen adoptieren. Text: Paulchen / Foto: Marion Friedl

About

Ich heiße Marion Friedl und bin Tierpsychologin und Journalistin. Mehr Infos gibt es übrigens auf der Seite: Über mich.

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