Manchmal fragt man sich: Warum? Und manchmal fragt man sich: Was wäre wenn? Mir sind diese Fragen durch den Kopf geschossen, als ich mal wieder gehört habe, dass Feinschmecker für ein Steak aus fernen Ländern 80, 100 Euro oder noch mehr bezahlen. Muss dieser Rinder-Trend sein? Ziemlich schnell bin ich zur klaren Antwort gekommen: Nein. Und ich grübelte über weiterführende Fragen nach.
Fragwürdiger Luxus
Warum bezahlen Leute so viel für ein Steak? Klar, das ist Luxus und es soll besonders gut schmecken. Mit Verlaub: Ich kann das Geschmackserlebnis nicht beurteilen, weil ich niemals so viel für ein Essen bezahlen würde – auch nicht, wenn ich zu viel Geld hätte. Was gleichzeitig bedeutet: Ich kann und will mir so einen Luxus nicht leisten.
Ferntransport schadet Umwelt und Klima
Doch warum muss man eigenlich so ein teueres Stück Fleisch essen und das auch noch aus Südamerika oder Japan einfliegen lassen? Das ist gar nicht gut für die CO2-Bilanz und schadet deshalb der Umwelt und dem Klima.
Galloway Rinder und Bisons gibt es auch bei uns
Auf so einen Transport könnte man glatt verzichten, denn lebenswichtig ist der nicht. Wir haben hierzulande auch Fleischlieferanten auf vier Beinen und das sind nicht nur die einheimischen Kühe, sondern inzwischen tummeln sich landauf landab auch Galloway Rinder und zum Beispiel im Bayerischen Wald sogar Bisons auf deutschen Weiden. Und wer kein Rind mag, sondern lieber exotisches Geflügel: Selbst Strauße gibt es bei uns.
Kann nur der Japaner Rinder glücklich tätscheln?
Was wäre eigentlich, wenn die Gourmets sagen würden: Ich bin bereit viel für mein leckeres Steak zu bezahlen – vorausgesetzt es kommt aus der Region und aus vorbildlicher Haltung. Dann wäre so manchem Landwirt geholfen, der mehr Geld in die Kasse bekommt und davon in eine super artgerechte Nutztierhaltung investieren könnte. Es kann doch nicht sein, dass nur der Japaner sein Kobe-Rind glücklich hätscheln und tätscheln kann, oder?
Feinschmecker können Gutes tun
Toller Nebeneffekt: Das Geld fürs liebevoll gestreichelte Steak bleibt in der Region und es kann kleinen Bauernhöfen zugute kommen, die sich schon wegen des lohnenden Geschäfts ganz besonders gut um das Weidevieh kümmern. Es landet nicht wieder in großen Massentier-Ställen, denn der spendable Gourmet hat natürlich auch einen Anspruch darauf, dass er für sein gutes Geld auch guten Genuss auf den Teller bekommt. Für den Gastwirt ist es sehr viel leichter und billiger eine Nutztierhaltung in der Region unter die Lupe zu nehmen als in Japan oder Argentinien – vorausgesetzt, er fliegt überhaupt dort hin. Mit Fotos und Informationstexten kann der Gastronom seinen Gästen auch Eindrücke von der Tierhaltung auf dem heimischen Bauernhof geben.
Der Erfolg ist ausbaubar
So etwas spricht sich übrigens herum – und schon wollen auch andere Landwirte Zeit und Geld in die Tierhaltung investieren, um ebenfalls ein lohnendes Geschäft zu machen. Parallel zur Belieferung der Gasthäuser kann auch der Hofladen vom neuen Trend profitieren, denn Menschen sind neugierig und wollen mal so einen Vorzeigebetrieb besuchen – und dann kaufen sie auch im Hofladen ein.
Es geht auch ohne Siegel und Flugticket
Ja, so ist das mit den Warum- und Was wäre wenn-Fragen. Eine Frage führt zur nächsten. Und es könnte wirklich etwas Gutes dabei heraus kommen. Gutes, für das es kein Siegel braucht, wenn man als Gastronom und Verbraucher nachsehen kann, wo das Steak herkommt und wie es den Tieren beim Bauern geht. Wenn sowohl Fleischtransport als auch Kontrollbesuch ohne Flugticket geht, dann schont das nicht nur den Geldbeutel, sondern auch die Umwelt und das Klima.
Gewinner sind Menschen, Tiere, Umwelt und Region
Was wäre, wenn das alles passieren würde? Das wäre eine tolle Sache, von der Menschen, Tiere, Umwelt und Region profitieren würden. Warum eigentlich nicht? Es liegt in der Hand der Gourmets: Wenn sie kein exotisches sondern ein regionales Rinder-Produkt auf dem Teller verlangen und nur dafür gut bezahlen – dann könnten sie mal zeigen, was sie alles bewirken können. Der Verbraucher hat die Macht und kann mit der Nachfrage auch das Angebot steuern. Und das macht übrigens auch noch ein echt gutes Gewissen – und vielleicht nicht nur das Rind glücklich. Text/Foto: Marion Friedl