Wenn ein Reh aufmerksam auf einer Wiese steht, könnte es dem Fiepen ihres Jungtieres lauschen. Das eine oder andere Kitz hat sich nämlich schon ins Leben gedrängelt, doch die meisten jungen Rehe erblicken im Mai das Licht der Welt. Während die Mama futtern geht, bleibt das Kitz verborgen im hohen Gras zurück – also: Hunde anleinen und Finger weg vom Kitz, denn es ist gar nicht allein, sondern in Hör- und Geruchsweite der Mutter. Rehe wittern übrigens Gerüche, die etwa 300 bis 400 Meter entfernt sein können – deshalb sieht es auch so aus, als wäre das Kitz allein und verlassen, doch die Mutter ist trotz weier Entfernung quasi nur eine Nasenwitterung weg und kann im Galopp rasant zum Jungtier zurückkehren.
Jungtiere fiepen bei Hunger und Gefahr
Bis der Nachwuchs mit dem Muttertier die Welt erkundet und die Leibspeisen Gräser, Kräuter, Raps, Getreide, Baumtriebe und Strauchschlemmereien kennenlernt, wird es etwa vier Wochen dauern. Bis dahin wird es gesäugt und den Hunger melden die Kitze nachdrücklich fiepend an. Klingt das Fiepen recht laut und schrill, dann ist Gefahr in Verzug und die Mutter wird schleunigst zu ihrem Kitz zurückkehren, um nach dem Rechten zu sehen. Wiegen die Kleinen bei der Geburt zwischen 1200 und 1900 Gramm (männliche Kitze können es auch auf 2300 Gramm bringen), so legen sie nach und nach an Gewicht zu. Laut Wikipedia kommen täglich 74 bis 207 Gramm zu.
Handaufzuchten bescheren viel Arbeit
Wer ein Kitz von Hand aufzieht, kann sich übrigens auf viel Arbeit und Überraschungen gefasst machen. Zunächst müssen die Kleinen natürlich ihre Milch bekommen und das täglich neun bis elf Mal – je nachdem, wie groß der Hunger in den ersten vier Lebenswochen ist. Jedes Mal werden etwa 40 Milliliter Milch geschluckt. Wird das Kitz von Menschen aufgezogen, ist es zwar auf den Menschen geprägt, aber das natürliche Verhalten bleibt deshalb nicht komplett auf der Strecke. Vor allem ein heranwachsender und später erwachsener Rehbock kann schon mal ruppig werden und beim Angriff zustoßen – was wiederum recht schmerzhaft und manchmal sogar mit ernster Verletzungsgefahr für den Menschen ausgehen kann.
Kitze werden nach und nach zu Vegetarier
Doch zurück zu den frei lebenden Rehkindern. Ab der dritten Lebenswoche landet nicht nur Milch im Magen, sondern auch die ersten grünen Halme und Blättchen. Vollständig auf vegetarische Kost umgestellt sind die Kitze zwischen der siebten und zehnten Woche und dann geht es langsamer voran mit der Gewichtszunahme, denn täglich wandern nur noch etwa 55 Gramm auf die Hüften. Im Spätherbst bringen sie dann schon 9 bis 20 Kilo auf die Waage. Erst mit zwei bis drei Jahren haben sie ihr endgültiges Gewicht erreicht: Rehe sind die kleinste Art der Hirsche, werden bis zu 140 cm lang, haben eine Schulterhöhe von maximal 84 cm und wiegen je nach Ernährungszustand, Größe und Geschlecht 11 bis 34 Kilo. Böcke tragen zusätzliches Gewiht mit herum: Ihr Geweih wird 15 bis 20 cm lang, wiegt bis zu 600 Gramm und wird im Herbst/Winter gewechselt.
Rehe leben gefährlich
Etwa 10 bis 12 Jahre alt werden können Rehe in freier Wildbahn, wenn sie nicht vorher schon vom Jäger erlegt werden, einem Freßfeind (z.B. Fuchs, Luchs, Wolf) zum Opfer fallen, von einem Hund gerissen werden oder auf der Straße unter die Räder kommen. Text/Foto: Marion Friedl