Mit Mathematik haben Forscher der Technischen Universität München (TUM) in Garching ein inneres Ohr bei Fröschen, Echsen und Vögeln enteckt. In diesem inneren Ohr entstehen Schallsignale, die von den Tieren zur Ortung genutzt werden.
Ein Trick der Natur hilft den Tieren bei der Ortung
Zur Richtungsbestimmung nutzen Menschen den Zeitunterschied, mit dem ein Schallsignal an beiden Ohren ankommt. Das können Frösche, Echsen und Vögel nicht, denn der Ohrabstand ist dafür zu gering. Dafür haben sie einen anderen Trick der Natur zu bieten: Sie besitzen einen Verbindungsgang zwichen beiden Trommelfellen, in dem sich innere und äußere Schallwellen überlagern. Das ist das „innere Ohr“, in dem die neuen Schallsignale entstehen, die von den Tieren zur Ortung genutzt werden.
Tiere müssen hören, wo der Feind lauert
Für Tiere ist die genaue Ortung überlebenswichtig. Sie müssen wissen, aus welcher Richtung sich ein bedrohlicher Feind anschleicht oder wo sich in der Dunkelheit ein Beutetier befindet. Hierfür müssen sie die Position einer Geräuschquelle exakt bestimmen. Fast alle Säugetiere – und auch der Mensch – lokalisiert eine Geräuschquelle horizontal mit Hilfe der zeitlichen Verzögerung, mit der das Schallsignal an beiden Ohren ankommt. Aus diesem Zeitunterschied berechnet das Gehirn die Richtung, aus der das Geräusch kam.
Ein Tunnel verbindet die Trommelfelle
Weil aber bei Fröschen, vielen Reptilien und bei Vögeln der Ohrabstand oft nur wenige Zentimeter beträgt, ist der Zeituntersched zu gering und das Gehirn kann ihn nicht so schnell verarbeiten. Aus der Patsche hilft da ein luftgefüllter Hohlraum, der quer durch den Schädel verläuft und die Trommelfelle beider Ohren verbindet. So werden beide Trommelfelle wie mit einem Tunnel verbunden. Dieser Tunnel wird sogar sichtbar, wenn man z.B. einem Gecko in ein Ohr hineinleuchtet. Dann tritt der Lichtstrahl beim anderen Ohr wieder aus. Bei einem Ohr rein, beim anderen raus – das nimmt der Gecko eben wörtlich.
Über 15.000 Arten haben ein inneres Ohr
In diesem Tunnelgang nehmen die Tiere Signale von außen wahr und diese äußeren Schallwellen werden mit den Schallwellen überlagert, die durch die Kopplung im Tunnel entstehen. Wissenschaftler haben bereits vor längerer Zeit herausgefunden, dass die Tiere dieses Signal zur Richtungsbestimmung nutzen, aber was in den gekoppelten Ohren vor sich geht, war bislang ein Rätsel. Mit einem universell anwendbarem mathematischen Modell haben nun TUM-Wissenschaftler um Leo van Hemmen, Professor für Theoretische Biophysik, dieses Rätsel gelüftet. Sie zeigten auf, wie sich die Schallwellen in intern gekoppelten Ohren ausbreiten und welche Hinweise auf die Richtung des Signals dabei entstehen. Mehr als 15.000 Arten besitzen solche intern gekoppelten Ohren. Das ist mehr als die Hälfte aller an Land lebenden Wirbeltiere.
Der Tunnel ermöglicht zwei Methoden des Hörens
Die Forscher fanden noch mehr heraus: Die Tiere mit Tunnel zwischen den Ohren haben zwei verschiedene Methoden des Hörens entwickelt. Töne treten in unterschiedlichen Frequenzbereichen auf und ergänzen sich gegenseitig. Töne, die tiefer als die Grundfrequenz des Trommelfells sind, werden dabei bis zu fünffach verstärkt. Liegen die Töne hingegen in einer höheren Frequenz kann die Zeitdifferenz nicht mehr genutzt werden. Stattdessen kommt es auf den Unterschied im Lautstärkenpegel an, mit dem das Signal an beiden Ohren wahrgenommen wird. Diese Lautstärkendifferenz entsteht allein durch die Kopplung der beiden Ohren. Und das war laut Prof. Leo van Hemmen „ein überraschendes Ergebnis“ für die Wissenschaftler. Manche Geheimnisse der Tiere spielen sich eben direkt in ihren Köpfen ab. Text/Foto: Marion Friedl