Bitte nicht stören! Dieses Schild würden wohl viele Seehund-Damen derzeit aufstellen, denn sie sind tragend. Nach der Paarungszeit im Sommer folgen Tragzeit inklusive Keimruhe und elf Monate nach dem Rendezvous werden die Jungtiere geboren. Laut Nationalpark Wattenmeer werden die Jungen zwischen Anfang Juni und Anfang Juli bei Ebbe auf den Sandbänken auf die Welt kommen.
Bitte nicht stören: Es wird gesäugt
Bereits bei der ersten Flut nach der Geburt werden die etwa acht bis zwölf Kilo schweren und rund 80 Zentimeter großen Sehhundbabys mit ihrer Mutter ins Meer hinaus schwimmen. Aber der erste Wasser-Ausflug ist natürlich anstrengend und so heißt es bei der Rückkehr wieder: Bitte nicht stören, denn die Kleinen werden auf der Sandbank etwa vier bis sechs Wochen lang immer bei Niedrigwasser gesäugt. In dieser Zeit trinken sie sich quasi ein Fettpolster an und verdreifachen ihr Gewicht. Ein erwachsener Seehund bringt übrigens um die 100 Kilo auf die Waage und kann .
Das Jagdtraining beginnt in der Säugezeit
Die kleinen Heuler müssen von Anfang an viel lernen und üben sich an der Seite ihrer Mutter als Fischjäger. Das Training beginnt noch während sie regelmäßig an Mamas Milchbar andocken, schließlich kann man die Säugezeit nicht nur bequem, sondern auch sinnvoll verbringen. Und so arbeiten sich die Jungtiere von Garnelen und kleinen Fischen zu großen Fischen als Jagdbeute empor. Wenn sie erwachsen sind, werden sie die Nordsee mit 30 bis 40 km/h Geschwindigkeit vor allem nach Plattfischen – ihrer Lieblingsspeise – absuchen. Aber wenn sich die nicht blicken lassen, tun es auch andere Fische, Krebse, Krabben und Muscheln.
Mit allen Sinnen Seehund
Nicht nur dem frühen Training ist der Jagderfolg zu verdanken, sondern auch den Tasthaaren an der Schnauze. Damit spüren sie Wasserwirbel, die Fische beim Schwimmen hinterlassen. Deshalb kann es auch stockdunkel sein – ein echter Seehund macht immer Beute, zumal er unter Wasser gut sieht, hervorragend hört und deshalb gut ohne perfekten Geruchssinn klar kommt. Meistens dauert ein Tauchgang etwa zehn Minuten, aber ein Seehund kann schon mal eine Dreiviertelstunde unter Wasser bleiben.
40.000 Seehunde leben im Wattenmeer
Laut der Tierschutzorganisation WWF gibt es weltweit etw 350.000 bis 500.000 Seehunde und davon leben rund 40.000 im Wattenmeer an der Nordsee. An der Ostsee sind Seehunde selten anzutreffen. Dort gibt es eher die größeren Kegelrobben, aber auch deren Bestände sind zurückgegangen.
Im Wasser lauern Umweltgefahren auf die Seehunde
Den Seehunden hat vor allem die Staupe zugesetzt un zwischen 1988 und 2002 ist laut Nationalpark Wattenmeer etwa die Hälfte der Wattenmeer-Population daran gestorben. Zwar ist die Staupe-Bedrohung vorbei und die Bestände haben sich wieder stabilisiert, aber es lauern stets weitere Gefahren, wie etwa die Waserverschmutzung durch Industrie, Haushalte und Schifffahrt.
Wenn der Mensch zur Gefahr wird
Seehunde dürfen bei uns nicht gejagt werden, aber trotzdem kann der Mensch zur Gefahr werden: Etwa wenn überfürsorgliche Menschen die Seehundbabys anfassen. Oft ist das Muttertier nur auf Fischfang und würde zu ihrem Jungtier zurückkehren, doch dann hat der Mensch das vermeintlich verlassene Seehundbaby bereits angefasst, weil es ihm wegen der kläglich klingenden Rufe so leid tat. Das Baby hat aber nur mit der Mutter kommuniziert, denn sie halten mit diesen Lauten quasi Hör-Kontakt.
Kleine Seehunde niemals anfassen!
Der Nationalpark Wattenmeer bittet deshalb dringend: „Heuler nicht anfassen! Falsch verstandene Tierliebe ist es, das Tier zu streicheln oder mitzunehmen. Lassen Sie den Seehund am Fundort und halten Sie mindestens 500 Meter Abstand, damit die Mutter ihr Jungtier wiederfinden kann.“ Wer auf Nummer Sicher gehen will, dass das Seehundbaby tatsächlich nicht verwaist ist, der kann den Fundort melden, zum Beispiel bei Nationalpark-Häusern und –Zentren, beim Jagdaufseher, bei der Wasserschutzpüolizei, bei Gemeinde- und Kurverwaltrungen oder direkt bei der Seehundstation Nationalpark-Haus Norddeich (Tel. 04931-8919).
Übrigens: Die Devise „nicht stören und nicht anfassen“ gilt auch für alle anderen Wildtiere. Text/Foto: Marion Friedl