Tiere haben eine Seele
Copyright: Marion Friedl

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Die Katze ist eine gute Seele, Bello ist eine Seele von Hund und wenn das Band zwischen Tier und Besitzer stark ist und man sich blind versteht, sprechen viele Menschen von ihrem Seelentier. Fragen Sie einen Tierbesitzer, ob Tiere eine Seele haben. Wetten, dass er antwortet: Natürlich! Tiere haben eine Seele! Ich pflichte da bei – auch wenn manche Theologen und Wissenschaftler anderer Meinung sind.

„Jede Kreatur hat eine Seele“

Die Frage, ob Tiere eine Seele haben und in den Himmel kommen, ist uralt. Tierheilpraktiker betrachten Körper, Geist und Seele ganzheitlich, wenn sie Tiere behandeln und Heilmittel verordnen. Auch Naturvölker und Schamanen sprechen den Tieren Geist und Seele zu. Der griechische Philosoph Pythagoras stellte fest: „Die Tiere teilen mit uns das Privileg eine Seele zu haben“ und Martin Luther glaubte, dass „auch die Hündelein in den Himmel kommen und jede Kreatur eine Seele hat.“ Für liebende Tierbesitzer ist ohnehin sonnenklar: Ihre Fellnase hat eine Seele und wenn das Tier nicht in den Himmel kommt, dann eben ins Regenbogenland.

Streitfrage zwischen Theologen

Lädt eine Kirche zum Tiergottesdienst ein, ist das Gotteshaus meist voll. Trotzdem ist die Frage nach der Seele im Tier eine Streitfrage unter Theologen. Die einen sagen ja und verweisen auch mal auf Franz von Assisi, den Schutzpatron der Tiere. Aber wenn es darum geht, ob Tiere und Menschen sich ein Grab teilen dürfen, ist die Antwort meist Nein – mit zwei Ausnahmen, über die ich bereits berichtet habe. Ich finde: Wenn man der Bibel und der Schöpfungsgeschichte glaubt, hat Gott auch die Tiere erschaffen. Und wenn das so war, hat er sich bestimmt etwas dabei gedacht.

Die Wissenschaft sucht Beweise: Gefühle und Bewusstsein

Auch die Wissenschaft ist nicht immer einig beim Thema Tierseelen und es wird nach beweiskräftigen Antworten gesucht. Gefühle sind demnach eine Voraussetzung für Bewusstsein und damit für das, was wir – losgelöst von der religiösen Bedeutung – Seele, Geist und Psyche nennen. Es ist keine Vermenschlichung, wenn ich sage: Tiere haben Gefühle. Sie werden ärgerlich, haben Angst, trauern, fühlen sich einsam, lieben ihren Menschen und freuen sich. Hinzu kommen fürsorgliche Muttergefühle und Berichte von Tieradoptionen. Letzteres erfordert Mitgefühl und Zuneigung – also ebenfalls Gefühle.

Hinweise auf Körperbewusstsein und Wohlgefühl

Was von der Wissenschaft längst heraus gefunden wurde: Tiere können Schmerz empfinden. Außerdem kam man dem Glückshormon Serotonin auf die Spur und es steht fest: Dieses Hormon ist nicht nur für den Menschen reserviert. Ich bin überzeugt davon, dass Tiere ein Bewusstsein für ihren Körper und für ihre Gefühle haben: Fühlt sich die Katze gut schnurrt sie wohlig, fühlt sie sich unwohl, krank oder verspürt gar Schmerzen, dann schnurrt sie ebenfalls, aber intensiver und andauernder als wolle sie sich darüber hinweg trösten und sich selbst beruhigen. Wenn sich ein Hund so richtig gut fühlt, wälzt er sich und schubbert seinen Rücken am Gras oder am Teppich und der Gesichtsausdruck sagt eindeutig: Mir geht es saugut. Geht es dem Hund nicht gut, zieht er sich oft zurück, als wolle er sich verstecken und von jedem Trubel fernhalten. Sogar beim Tod des Tieres wird das Bewusstsein für seinen Körper und sein Befinden spürbar, denn wer schon mal sein Tier in der letzten Stunde seines Lebens begleitet hat, der hat sicher eine ganz bestimmte Art der Kommunikation erlebt: Es ist als wolle uns das Tier helfen, loszulassen und als würde es darum bitten gehen zu dürfen, um die Beschwerden zu beenden. Sie scheinen zu wissen, dass etwas Neues und Unbekanntes beginnt. Gleichzeitig erscheint das Vertrauen des Tieres in uns und unseren Beistand sowie seine Liebe zu uns fast grenzenlos zu sein.

Erkennt sich das Tier und sein eigenes Ich?

Dennoch: Manche Wissenschaftler behaupten, Tiere haben kein Ich-bezogenes Bewusstsein und gerne wird erklärt, dass Tiere das Spiegelbild als einen Artgenossen betrachten. Ich bin mir da insbesondere bei Hund und Katze nicht so sicher. Als mein Kimba jung war und sich das erste Mal in der Spiegeltür meines Schrankes sah, ist er erschrocken. Dann wollte er heraus finden, was das für ein Hund ist. Er stupste das Spiegelbild mit der Nase an, setzte sich irritiert hin und beobachtete den anderen Hund. Dann wandte er sich ab und ging. Später machte er Selbstversuche: Pfote heben, hinlegen, aufstehen, Kopf schräg legen und beobachten, was der Hund im Spiegel tut. Nach ein paar Tagen hatte er offenbar begriffen: Das bin ich und seitdem stapft er ungerührt an Spiegeln vorbei und ignoriert auch sein Spiegelbild im Wasser. Hängen Sie mal einem Baby einen Spiegel übers Bett. Es wird das Ding anschubsen, danach greifen und es erkunden. Genau das hat Kimba auch getan. Dass er bei seiner ersten Begegnung mit dem Spiegelbild erschrocken ist, wundert mich nicht. Wie ergeht es uns – mit dem Wissen um Spiegelbilder – wenn wir in einem fremden Raum etwas tun, uns umdrehen und plötzlich einen Menschen sehen? Eine Schrecksekunde haben wir dann – bis wir realisieren: Da hängt ein Spiegel und das ist mein Spiegelbild.

Tiere erkennen auch Personen

So viel zum Dauerbrenner-Thema Spiegelbild, das übrigens auch Menschenaffen, Elefanten und Delfine erkennen. Tiere erkennen aber auch vertraute Personen und Tiere. Dabei hilft ein Geruch, eine Bewegung oder die Stimme. Und wieder muss Kimba herhalten: Ich wurde vom Bayerischen Fernsehen interviewt und sah mir die Sendung an. Ich saß allein und still auf der Couch. Zu hören war aber meine Stimme aus dem Fernseher. Kimba erkannte die Stimme sofort und er war in diesem Fall sehr irritiert: Er lief zum Fernseher, wo die Stimme raus kam, sah dann zu mir und verstand die Welt nicht mehr. Wie konnte Frauchen aus dem Fernseher sprechen, wenn sie wortlos auf der Couch saß?

Tiere schauen sich wie Kinder beim Menschen etwas ab

Doch wie ist das mit den Leistungen des Gehirns? Einstein ist Kimba nicht, aber er hat einiges drauf und lernt gerne. Ich gebe zu, dass der Denkprozess beim Hund anders abläuft als beim Menschen. Tiere verknüpfen Kommando, Aktion und Lob und irgendwann sitzt das Erlernte. Aber: Tiere lernen auch durch Abschauen und das tun Kinder übrigens auch. Kimba beobachtet mich sehr oft und genau. Ich hatte ihm nie beigebracht, die Wäsche aus der Waschmaschine zu holen, aber eines Tages hatte er mir anscheinend oft genug zugesehen und er zeigte mir, was er als Haushaltshilfe drauf hat: Ich öffnete die Waschmaschine, nahm ein Wäschestück heraus und hängte das Teil auf. Plötzlich stand Kimba neben mir und hatte das nächste Shirt im Maul. Ich lobte ihn, nahm es und Kimba lief zurück zur Maschine und assistierte mir so lange bis er keine Lust mehr hatte.

Anderes Beispiel: Kimba hat sein Bett in meinem Schlafzimmer und kann beobachten, wie sich ein Mensch zur Ruhe legt. Das tut er immer: Er sitzt neben dem Bett, wartet bis ich unter die Decke gekrabbelt bin, lässt sich den Kopf tätscheln und geht dann in sein Hundebett. Ich staunte nicht schlecht, als er sich eines Tages ins Hundebett legte und mit den Zähnen nach der Decke griff und sich zudeckte. Das tut er vor allem in der kalten Jahreszeit oft. Das bedeutet für mich: Er hat es sich von mir abgeschaut und er hat begriffen: Ist mir kühl, decke ich mich warm zu.

Tiere können viele Probleme selber lösen

Es gibt oberschlaue Tiere: Affen können Bilder zuordnen, mit Buchstabentafeln kommunizieren und rechnen. Krähen werfen Nüsse auf die Straße, damit sie vom Autoreifen überrollt und geknackt werden. Auf Ameisenstraßen bildet sich kein Stau, weil sie Abstand halten und das Tempo beibehalten. Katzen begreifen übigens schneller als mancher Hund: Nachbarhund und Nachbarkatze waren zu Gast. Ich stellte einen Futternapf im Wohnzimmer ans geschlossene Fenster. Beide Tiere sahen den Napf und rannten drauf los: Beide landeten mit dem Kopf an der Scheibe. Was passierte dann? Der Hund wollte weiter mit dem Kopf durchs Fenster, aber die Katze bog ab und nahm den Weg zur offenen Terrassentür, ging zum Napf und fraß. Selbst das hatte den Hund nicht überzeugt: Er fand den Weg zur Tür nicht, war aber sichtbar neidisch auf die Katze. Naja, auch wir scheitern mal an einem Problem…

Es zählt das Hier und Jetzt

Was unterschiedlich ist zum Menschen: Tiere leben – mit wenigen Ausnahmen – nicht in der Vergangenheit und machen sich keine Gedanken um die Zukunft. Sie leben vorwiegend im Hier und Jetzt. Die Ausnahmen beschränken sich auf einschneidende Erlebnisse und das Erlernte in der Prägephase. Was sie in den ersten Lebenswochen lernen, vergessen sie nie wieder. Was die Zukunft angeht: Die Zukunft planen oder sich darum zu sorgen, überlassen sie den Menschen. Clever.

Gelernt wird auch durch Erfahrung: Wollte die Katze einmal mit der Pfote einen Igel erwischen, dann hat das sicherlich gepiekt und sie merkt sich diese Erfahrung. Auch mein Hund Kimba machte eine bleibende Erfahrung: Das Nachbarhaus brannte ab und ich musste vorsorglich Kimba aus dem Haus bringen und das Auto vom Hof fahren. Der einzige Weg führte über den Hof in Sichtweite des Feuers. Trotz großem Abstand zum Brand spürte man die Hitze, sah die Flammen und roch den Rauch. Ich vergesse nie Kimbas ängstliches Gesicht und wie er an der Leine immer weiter vom Feuer wegzog. Ein Urinstinkt wurde da wachgerüttelt in ihm. Ich packte ihn ins Auto, fuhr mit ihm weg vom Feuer und parkte auf der Straße. Von da sah und hörte er die Feuerwehr. Einige Jahre ist das her, doch Kimba hat es nicht vergessen: Beim Feuer im Grill verzieht er sich. Der Geruch eines Holzofens in der Nachbarschaft lässt ihn extrem nervös wittern. Hört er ein Martinshorn, kommt er zu mir und sucht Schutz. Das tut er auch, wenn Regentropfen eine bestimmte Geschwindigkeit haben und sich anhören wie das Prasseln eines Feuers.

Vom Denken und Verstehen

Man kann Tieren angesichts ihrer Lernleistungen unterstellen, dass sie denken können wie ein Kleinst- oder Kleinkind. Zumal auch unsere Haustiere nicht nur die eingetrichterten Kommando lernen, sondern auch viele Worte verstehen, die wir oft benutzen. Küche ist bei Kimba so ein Wort. Wie oft sagt man: Das findest Du in der Küche, der Kaffee steht in der Küche. Jedes Mal, wenn das Wort Küche fällt, rennt Kimba in die Küche. Er ist immer als erster da und es ist ihm egal, wer in die Küche geht. Das tut er daheim und in fremden Häusern – die Küche findet er immer. Wenn er in die Küche läuft, erwartet er nichts. Er legt sich hin und beobachtet, was der Mensch macht. Kaum verlässt der Zweibeiner die Küche, geht auch Kimba aus dem Raum. Manchmal führe ich Selbstgespräche: Mal sehen, was im Fernsehen kommt. Heute ist aber auch nichts Interessantes im Fernsehen. Kaum hört Kimba das Wort Fernsehen, sitzt er vor der Glotze, schaut auf die Mattscheibe und dann zu mir – nach dem Motto: Nun schalte das Ding schon ein.

Tiere können selbstständig handeln

Nun fragen Sie, was hat das alles mit der Frage zu tun, ob Tiere eine Seele haben? Sehr viel: Gefühle, Gehirnleistung, Erinnerungsvermögen – all diese Aspekte legt die Forschung bei der Suche nach einer fundierten Antwort zugrunde. Damit einher geht die Frage, ob Tiere selbstständig und bewusst handeln können. Ja: Affen benutzen Werkzeuge, um sich Ameisen oder Honig heraus zu angeln. Ein schönes Beispiel für alle, die sagen, Tiere können nicht allein Probleme lösen oder etwas planen (das trifft auch auf die Krähe und die Nuss unter dem Autoreifen zu). Die Katze trifft die Entscheidung, ob sich der Energieaufwand für die Jagd lohnt. Der Hund entscheidet, ob er sich zurückzieht oder dem Menschen Gesellschaft leistet. Auch Sympathie und Abneigung ist eine eigene Entscheidung: Ob Katze, Hund, Pferd, Kuh, Meerschweinchen oder Wellensittich – Tiere zeigen, ob sie jemanden mögen oder nicht. Sie nähern sich freundlich und offen an, meiden Personen oder drohen ihnen und sie können auch attackieren, wenn sie beispielsweise mit Flugattacken zeigen wollen: Verschwinde, Dich will ich hier nicht haben.

Hund, Katze und Co. sprechen auf ihre Art

Einige Wissenschaftler sagen, Tiere haben keine Seele, weil sie nicht sprechen können. Ich lege ein Veto ein: Das Sprechen ist anatomisch nicht möglich, aber Tiere sprechen auf ihre Art: Bei Singvögeln, Elefanten, Walen und Schimpansen hat man  ein breites Vokabel-Repertoire festgestellt. Auch Hund, Katze und Co. sprechen mit ihren Artgenossen. Nur weil wir die Worte nicht verstehen, heißt das nicht, dass sie nicht sprechen können. Und mal ehrlich: Verstehen Sie chinesisch?

Der Blick in die Tierseele

Die Frage, ob Tiere eine Seele haben, wird die Menschheit noch lange beschäftigen. Ich habe meine Antwort gefunden und mir ist egal, ob ich sie beweisen kann. Für mich sind Tiere Individuen mit eigenem Willen, Gefühlen, Grips und Seele. Jedes Tier hat eine eigene Persönlichkeit, eigene Schwächen und Stärken, eigene Vorlieben und Abneigungen, eigene Ängste, eigene Arten zu handeln und zu lernen. Auch wenn es kitschig klingt: Wenn ich Kimba in die Augen sehe, dann sehe ich in seine Seele und ich sehe nur eins: Er ist eine Seele von Hund. Diese Seele – wie auch alle anderen Tierseelen – verdienen unseren Respekt und sorgsamen Umgang. Wer weiß: Vielleicht wird man ja dafür belohnt und man sieht sich eines Tages wieder – im Himmel oder im Regenbogenland. Text/Foto: Marion Friedl

About

Ich heiße Marion Friedl und bin Tierpsychologin und Journalistin. Mehr Infos gibt es übrigens auf der Seite: Über mich.

3 thoughts on “Tiere haben eine Seele

  1. Klar haben Tiere eine Seele, alles was lebt und Herz hat, hat auch eine Seele. Nur leider gibt es Menschen, die die Seele ihres Tieres nicht erkennen und nicht zu schätzen wissen. Ich kenne meinen Hund genau und weiß, er ist eine gutmütige Seele! Danke für den Beitrag.

  2. Hallo,
    danke für den schönen Beitrag.
    Erst wenn der Mensch aufhört, sich aufgrund irgendwelcher Doktrinen und Theologien, die unser Leben seit Jahrhunderten prägen, als Krone der Schöpfung und Mittelpunkt der Welt zu sehen, kann er die Welt als Einheit erkennen.
    Wer gibt uns das Recht, zu entscheiden, wer und was eine Seele hat oder nicht? Wer will mir erzählen, dass meine Katze wissenschaftlich nicht zu logischem Denken fähig ist, wenn sie gerade versucht, den Stecker in die Steckdose zu schubsen, da sie weiß, dass dann der Trinkbrunnen angeht. Wer entscheidet, dass Katzen nur verschwommen oder ohne Farben sehen, wenn mein Kater bei jeder Fernsehsendung versucht, den Bildschirm zu öffnen, wenn eine Giraffe gezeigt wird?
    Wer kann mir plausibel erklären, dass mein Kater nicht gerade denkt: Ach Menschlein, wärst Du doch so schlau wie ich, hättest Du Personal, das Dich verwöhnt und für Dich sorgt…. und hättest Du die Fähigkeit, in aller Einfachheit zu lieben, hättest Du auch eine Seele…
    Anstatt andere Menschen zu lehren, was Tiere denken oder sind, sollten wir die Welt einfach mal andersherum betrachten. Lernen wir aus dem, was Tiere tun – dann erkennen wir auch ihre Seele.
    Liebe Grüße
    Tanja

  3. Also zunächsteinmal muss ich sagen das dass ein außergewöhnlicher und sehr interessanter Bericht ist!
    Natürlich möchte ich meinen Senf auch noch dazugeben… Selbstverständlich haben Tiere eine Seele, da es genau wie wir Menschen auch lediglich in einer anderen Gestalt.
    Darüberhinaus sind Tiere um einiges intelligenter als Menschen da sie sich nicht selbst ausrotten oder schlimmer noch andere Spezies quälen und töten. Ich bin sicherlich kein Greenpeace Aktivist oder so aber soetwas was bspw mit Hunden in China gemacht wird ist das allerletzte. Ich hoffe das die Seelen dieser Menschen auf ewig in der Hölle schmoren wird… Soviel dazu

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